Momentan wird ja in der Stadt viel über den Koalitionsvertrag zwischen der CDU und den Grünen gesprochen. Nicht der vor der der Wahl formulierte Wunsch, aber auf Grund des Wahlergebnisses und der SPD Ablehnung einer rot-rot-grünen Option die einzige Alternative zu einer großen Koalition. Da lohnt es sich, einmal in die Feinheiten zu sehen. Besonders von Umweltverbänden wird die Formulierung zu Moorburg kritisiert, aber auch die Elbvertiefung steht in der Kritik.
Auch für mich ist Moorburg ein entscheidendes Thema in diesem Kompromiss. Und auf den ersten Blick scheint die Formulierung im Koalitionsvertrag an dieser Stelle äußerst schwammig:
Die zuständige Behörde entscheidet rechtlich über die Genehmigungs- und Erlaubnisanträge zum Bau eines Kohlekraftwerks in Moorburg.
Auf den ersten Blick habe auch ich gedacht, so geht das nicht. Auf der ersten Debatte zu dem Koalitonsvertrag wurden allerdings auch die rechtlichen Fallstricke deutlich, die hier zu beachten sind. Durch die Absprachen des CDU-Senates mit dem Vattenfall-Konzern befindet sich der Bau des Kohlekraftwerkes schon im Genehmigungsverfahren. Zwei unterschiedliche Genehmigungen sind für diesen Klimakiller nötig. Einerseits die Genehmigung der Immissionen. Dafür ist das entsprechende Bundesgesetz maßgeblich. Man kann die Auffassung haben (und ich teile diese), es würde zu viel Feinstaub ausgestoßen. Alle gesetzlichen Grenzwerte werden jedoch eingehalten, so dass diese hier kein Spielraum zum Verweigern der Genehmigung existiert.
Komplizierter ist das mit der Wasserrechtlichen Genehmigung. Diese ist nötig, weil Elbwasser zur Kühlung genutzt werden soll. Hier hat die zuständige Behörde (für Stadtentwicklung und Umwelt) einen Ermessensspielraum, mit dem diese Genehmigung verweigert werden kann. Diese Position hat unsere Bürgerschaftsfraktion auch schon im Wahlkampf vertreten:
Die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis steht im Ermessen der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Das heißt: Vattenfall hat keinen Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis, die Behörde hat nach pflichtgemäßer Abwägung der wasserwirtschaftlichen Belange zu entscheiden. Eine Beeinträchtigung der Wasserqualität führt dazu, dass die Behörde die Erteilung der Erlaubnis versagen darf.
Das Problem hier ist nur, die Behörde darf nur auf Grund von „Abwägung der wasserwirtschaftlichen Belange“ entscheiden, andere Beweggründe dürfen keine Rolle spielen. Also darf erst recht keine politische Entscheidung in einem Koalitionsvertrag die spätere Genehmigung vorgeben. Würde in einem Koalitionsvertrag stehen „Die Vertragspartner sind sich einig, dass die Wasserrechtliche Genehmigung für das Kohlekraftwerk Moorburg zu verweigern ist.“ wäre Tür und Tor für Vattenfall geöffnet, gegen diese Entscheidung erfolgreich zu klagen. Das ist auf den ersten Blick schwer nachzuvollziehen, besonders für einen Nicht-Juristen wie mich.
Achja, durch die Formulierung über die Ausschreibung des Fernwärmenetzes fällt die Möglichkeit für Vattenfall weg, den zweiten Block rentabel zu betreiben. Nur ein Block würde zwar weniger Wasser erwärmen, und damit im Genehmigungsverfahren weniger problematisch sein. Doch wenn Vattenfall jetzt nur einen Block bauen wollen würde, wäre es ein komplett neues Verfahren, in dem man ganz neue Möglichkeiten hätte, auch politische einzugreifen.
In diesem Punkt kann ich also mit dem Koalitionsvertrag leben.
UPDATE: Ich habe den Artikel etwas gekürzt, da ich hier keine falschen Absichten irgendjemand unterstellen möchte.
Schlagwörter: gal fraktion, gal hamburg, klima, koalition, kohle, kraftwerk, politik, schwarz-grün, umwelt, vattenfall
2008-04-20 um 12:01 |
Haha. Ihr habt so ziemlich alles geschluckt, was man schlucken kann 🙂 Regieren ist aber auch wirklich besser als Opposition 🙂
2008-04-20 um 12:14 |
Hmm, so würde ich das nicht sehen. Natürlich gibt es einige Punkte, die man „schlucken“ musste. Aber das wird ja auch unseren Parteifreunden in Bremen so gehen. Wie auch dem jeweiligen Partner.
Und ja, Elbvertiefung und A26, das sind schon einige Klopper. Andererseits würde das eine große Koalition genauso machen, nur wohl mit weniger Ausgleichsmassnahmen. (Zumindest wenn man den SPD Äusserungen der letzten Zeit trauen darf.)
Aber die CDu wird im Bereich Strafvollzug die gesetzliche (Wieder-)Trennung von Jugend- und Erwachsenenvollzug „schlucken“ müssen. Und gerade im Bereich ökologische Stadtentwicklung und Flächenverbrauch gibt es echte Erfolge. Wir bekommen eine Stadtbahn (ich weiss, hat Bremen schon), die mit der SPD nur in der Schublade gelandet ist. Im Bereich sozialer Wohnungsbau und lokale Arbeitsmarktpolitik stehen auch deutlich grüne Konzepte drin. Rechte für Homosexuelle Menschen, MigrantInnen und eine starke unabhänige Stelle für Bürgeranliegen sind auch etwas Wert. Dazu der (leider nur) Einstieg in ein längeres Gemeinsames Lernen. Das sidn schon deutlich Grüne Aktzente, die die CDU „schlucken“ muss. (Wobei es ja immer auch auf die Ausgestaltung an kommt)
Also, ich denke wir haben nicht alles geschluckt. Und es finden sich auch sehr deutliche Grüne Inhalte in dem Koalitionsvertrag wieder. Aber die Abwägung dauert (zumindest bei mir) noch an.
2008-04-20 um 12:15 |
PS.: Immerhin haben wir nicht eine Mehrwertsteuererhöhung geschluckt und dann (weil man ja schon einmal dabei ist) gleich noch einmal was drauf geschlagen… 😉
2008-04-20 um 13:08 |
@Martin
Ich traue dir durchaus differenziertere und sachlichere Kommentare mit konkretem Bezug auf den jeweiligen Blog-Eintrag zu – warum dann sowas?
@Kai
Danke für die Infos! Das reduziert die Bauchschmerzen beim Punkt Moorburg doch immens. Hatte mich schon gewundert, dass der Punkt so vage blieb, wo er doch ein sehr zentraler Punkt von uns war. Hatte auf sowas gehofft, aber bisher steck ich in den Tiefen des Koalitionsvertrages noch nicht drin.
2008-04-20 um 18:03 |
@Henning
Jetzt bin ich schwer getroffen. Ich fand meinen Kommentar sachlich. Moorburg ist eine schwere Kröte. Ob die GAL in HH sich daran verschluckt, wird sich noch zeigen. In Bremen ist das Thema durch den Rückzug des Investors gelöst worden, sonst hätten die Grünen hier ein ähnliches Problem gehabt – einen Umweltsenator, der das nicht verhindern kann.
Und ob die vage Formulierung des Punktes im Koa-Vertrag wirklich in einem halben Jahr noch ein Vorteil ist – warte ich gespannt ab.
@Kai
Und wie begründest du die Elbvertiefung, die sogar Christian Wulff ablehnt…
2008-04-21 um 09:38 |
@Martin
Und weil er so sachlich war enthielt er auch gleich ein „Haha“ und zwei Smileys – bei zwei Sätzen. Der nun war ja in Ordnung, hab mich also nicht getäuscht, dass du auch anders kannst. Aber „alles geschluckt“ ist ja nun wirklich extrem pauschal und würde ja bedeuten, wir hätten im Koalitionsvertrag das CDU-Wahlprogramm abgeschrieben. Frag mal die CDU-Basis, was die dazu sagt. Stichwort Schule z.B.
Was Elbe und Moorburg angeht: Ich hab mehr oder weniger von Anfang an damit gerechnet, dass es auf irgendwas richtig Elbvertiefung ja, Moorburg nein hinausläuft. Und so wie ich Kais Erläuterungen jetzt lese, die für mich nachvollziehbar klingen, ist es auch so gekommen.
Was wäre da denn bei Schwarz-Rot besser gewesen?
2008-04-22 um 12:49 |
Die Sache mit der Elbvertiefung…
Eines der größten Einzelprobleme mit dem Koalitionsvertrag stellt wohl die Elbvertiefung dar. Oder besser: die Zustimmung zu einer weiteren Ausbaggerung der Elbe. Jedoch sollte man dabei nicht vergessen, wie die Mehrheiten in Bürgerschaf…
2008-04-22 um 23:17 |
[…] Den Punkt Moorburg habe ich in Klammern gesetzt bei den grünen Erfolgen eingeordnet, da ich mir mittlerweile ziemlich sicher bin, dass die im Vertrag gefundene Formulierung die weitgehendst mögliche ist, um das Kraftwerk noch zu verhindern ohne eine Klage von 1,3 Milliarden Euro am Hals zu haben. Auf den ersten Blick hatte mich die schwammige Formulierung sehr enttäuscht, doch warum sie eigentlich sehr positiv zu bewerten ist, hat Kai sehr verständlich und gut erläutert! […]
2008-04-24 um 12:21 |
[…] Wilken, ein aktiver Hamburger Grüner, hat zum Thema Moorburg und Elbvertiefung schon ausführlich gebloggt. Insbesondere seine Erklärungen zum Thema […]