Eigentlich wollte ich mich aus dem Thema Altona und erster grüner Bezirksamtsleiter (=Bezirksbürgermeister) heraus halten. Aber dieses Interview heute im Abendblatt ist echt zu viel.
Worum es geht: In Altona regiert eine Schwarz-Grüne Koalition, die ihren Bezirksamtsleiter (FDP, ein Überbleibsel aus der Zeit mit gelb und schill) abschiessen möchte. Durch diverse Skandal im Bezirksamt gibt es auch genug Grund dafür, es geht jedoch nur über eine konstruktive Abwahl. Die Findungskomission hat sich auf Joachim „Jo“ Müller geeinigt. Er ist zwar Grüner, wirbt aber schon lange für eine Entwicklung zum konservativen Bürgertum hin, dass sich nach seiner Meinung in der Schwarz-Grünen Koalition ausdrückt.
Erst einmal, von dieser Auffassung bin ich absolut nicht überzeugt. Selbst wenn durch ein Wahlergebniss eine Schwarz-Grüne Koaltion zustande kommen sollte, wird es keine Liebesheirat und kein gemeinsams Projekt sein. Sondern einfach ein Koalition, die gemeinsame Ziele in einem Vertrag festhällt und diese umsetzten will.
Es ist natürlich das gute Recht des Kreisverbandes und der Bezirksfraktion, über ihr eigenes Personal zu entscheiden. Von außen betrachtet ist es jedoch unverständlich, wie der designierte Bezirkschef Jo Müller nach der Bekanntgabe erst einmal mit den Äußerungen, das Bezirksamt sei „offenbar nicht gut organisiert“ (taz) bei seinen neuen Mitarbeitern punkten will. Fehlende Verwaltungserfahrung kann auch eine Chance sein, jedoch hätte ich mir persönlich auch gewünscht, dass gerade von grüner Seite jemand deutlich jüngeres vorgeschlagen wird.
Aber das ist eine Altonaer Entscheidung. Wenn aber diese Person jetzt loszieht und auch in Interviews für ein Schwarz-Grünes Bündnis auf Landeseben wirbt, dann geht das zu weit. Denn er hat anscheind keine Ahnung von den vielfältigen internen Diskussionen, die in der Partei zu diesem Thema gelaufen sind. Er mag ein Mitbegründer der Partei sein, in der letzten Zeit hat er jedoch nur durch gelegentliche Trotzkandidaturen auf sich aufmerksam gemacht.
Und wenn er dann auch noch der CDU bescheinigt, in „Sachen Ökologie ist die CDU inzwischen weiter als die SPD“, während in Moorburg ein ach so CO2-armes Kohlekraftwerk mit dem Segen der CDU gebaut wird, platzt mir echt die Hutschnur. Es mag sein, dass die GAL in Altona ihre ganz eigenen Erfahrungen in Bezug auf den Umgang mit der Volksgesetzgebung gemacht hat:
Gegen den Widerstand der SPD billigte die Fraktion der CDU den Senatsbeschluss, sich über das Bürgerbegehren zum Erhalt des Bismarckbades am Bahnhof Altona hinwegzusetzen. Die GAL enthielt sich. (taz)
Aber das ist in meinen Augen kein Massstab, an dem ich mich als Grüner messen lassen will.
Die Äußerungen aus dem Mund des „Ober-Realos“ habe jetzt sogar dazu geführt, dass der GAL Landesvorstand (Anja Hajduk, Landesvorsitzende und Jens Kerstan, stellv. Landesvorsitzender) sich in einer Pressemitteilung sehr deutlich zu dem Thema äußert:
Mit Unverständnis reagieren wir auf die politischen Bekenntnisse des designierten Bezirksamtsleiters zu angeblichen Koalitionspräferenzen der GAL Hamburg.
Die Linie des grünen Landesverbandes ist es, die Eigenständigkeit der GRÜNEN und ihrer Position herauszustellen. Hierin sind wir uns im Landesvorstand, mit allen Hamburger Kreisverbänden und der GAL-Bürgerschaftsfraktion einig. Wir sehen größere inhaltliche Übereinstimmungen ausdrücklich mit der SPD, ein einseitiges Bekenntnis zu schwarz-grün entspricht nicht unserer Position.
Eigentlich sollte sich Jo Müller auf die Rolle als Verwaltungschef des Altonaer Bezirks vorbereiten, statt zu versuchen, seine Kandidatur für politische Festlegungen auszunutzen. Vor diesem Hintergrund fordern die grüne Fraktion in Altona auf, ihre Entscheidung für Herrn Müller zu überdenken.
Dem ist erst einmal wenig hinzuzusetzen. Ich bin sehr gespannt darauf, wie die Diskussion in der Partei und der Stadt weiter gehen wird.
Schlagwörter: abendblatt, altona, anja hajduk, cdu, gal hamburg, gruen, Hamburg, interview, jens kerstan, jo mueller, partei, politik, taz
2007-05-30 um 22:21 |
Es kommt schlimmer: Jo Müller ist vorbestraft – so einen Bezirksamtsleiter gab es in Altona m.W. noch nie – auch wenn Betrug (hier: Versicherungsbetrug) vielfach als Kavaliersdelikt gilt…
2007-05-31 um 17:33 |
Lieber Frank,
ich denke mal, dies sollte man nicht skandalisieren!
Ich kenne die genaueren Hintegründe der Tat nicht und weiss nicht wann sie stattgefunden haben soll und ob sie überhaupt stattgefunden hat – außerdem setzte ich als Grüner weiterhin auf die Resozialisierung von Straftätern.
Viel schlimmer wiegen meiner Ansicht nach die Äußerungen, die Herr Dr. Müller in der vergangenen Woche unmittelbar nach seiner Nominierung als Bezirksamtsleiterkandidat öffentlich gemacht hat. Er bezeichnete seinen potenziellen neuen Arbeitsplatz als ein „Schlangennest“ und unterstellte vielen potenziellen MitarbeiterInnen, dass diese nicht wüssten was sie tun. Das ist kein guter Start als neuer Chef – gerade für jemanden der als „Manager“ von aussen kommt und eigentlich erstmal das Handwerk, um das es geht, lernen sollte.
Und ähnlich schwerwiegend finde ich seine Empfehlung einer grün-schwarzen Koalition im Hamburger Rathaus. Herr Dr. Müller hat sich in den letzten Monaten in keiner Weise aktiv an den Diskussionen in der Partei über die Ausrichtung des GAL-Programmes und des Wahlkampfes beteiligt. Waser am Sonntag in der MoPo und am Dienstag im Abendblatt äußerte, ist seine persönliche Meinung. Die kann man teilen oder nicht, aber angesichts seiner neu gewonnen Rolle als Bezirksamtsleiterkandidat sollter er gemerkt haben, dass ihm damit besondere Aufmerksamkeit zukommt und er bei seinen Äußerungen die in der Partei mehrheitlich getragene Linie nicht diskretiert!
Insofern unterstützte ich die Aufforderung von Anja Hajduk und Jens Kerstan an die Altoner GAL-Bezirksfraktion voll und ganz.
Karl-Heinz Karch
Vorsitzender GAL Hamburg-Mitte.